Interview mit LEONARD-Coach Julia Himmelsbach

Seit 2017 gibt es das LEONARD-Programm. Es ist die konzernweite Plattform für Innovation und Zukunftsforschung der VINCI-Gruppe. LEONARD richtet sich an alle Unternehmensbereiche und verfolgt das Ziel, alle wichtigen Akteure und Interessensgruppen zu vereinen, um die Stadt der Zukunft gemeinsam zu gestalten. Unser Leben und unsere Gewohnheiten sind einem tiefgreifenden Wandel unterworfen. Darunter fallen der Klimawandel, die digitale Revolution sowie die Beschleunigung von Innovationszyklen. All diesen Themen widmet sich LEONARD.

Welche Schwerpunkte innerhalb des LEONARD-Programms gibt es?

Grundsätzlich richtet sich das  LEONARD-Programm an alle innerhalb des VINCI Konzerns, aber auch an Externe wie z.B. Gründer eines Start-ups. Mehr als 60 interne und externe Veranstaltungen pro Jahr – beispielsweise rundum das Thema Infrastruktur von Morgen –finden in den Räumlichkeiten von LEONARD in Paris statt.

LEONARD ist in die Schwerpunkte: „Exploration“ und „Entrepreneurial Innovation“ unterteilt.  Zum Bereich „Exploration“ gehört z.B. FORESIGHT, das vorrausschauende Analysen und Szenarien für die Entwicklung unserer Geschäftsfelder erstellt. Auch Trendmonitoring gehört dazu.

Im Rahmen der „Entrepreneurial Innovation“ gibt es unter anderem SEED, CATALYST und das INTRAPRENEURSHIP- Programm. Bei letzterem kann man sich noch bis Oktober bewerben.

Was verbirgt sich konkret dahinter?

SEED ist ein Investitionsprogramm für frisch gegründete Start-ups und hilft dabei Projekte zu verfeinern und weiterzuentwickeln und um sie für die erste Fundraising-Runde vorzubereiten. Für dieses Programm suchen wir Startups im Bereich Bau, Proptech, Mobilität, Energie, und Smart City.

CATALYST richtet sich an reifere Start-ups, die einen strategischen Industriepartner suchen, um in den Markt der VINCI-Gruppe einzutreten. Auch hier suchen wir Startups im Bereich Bau, Proptech, Mobilität, Energie, und Smart City, die aktuelle und zukünftige Herausforderungen unserer Business Units lösen können.

Das INTRAPRENEURSHIP-Programm richtet sich an Mitarbeitende der VINCI-Gruppe, ihre eigenen Ideen für ein neues Geschäft zu entwickeln. Dabei hilft das Programm bei der Entwicklung einer Go-to-Market-Strategie, der Strukturierung des Projekts und bei der Suche nach den ersten Kunden.

Zu guter Letzt gibt es noch das AI-Programm, bei dem ich seit 2021 mitwirke. Wir unterstützen hierbei alle Unternehmen der VINCI-Gruppe bei der Konzeption und Entwicklung vielversprechender Projekte im Bereich der künstlichen Intelligenz. Viele Unternehmenseinheiten von VINCI wollen die Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz nutzen. Wir helfen ihnen dabei Anwendungsfälle zu entwickeln, um potenzielle Wachstumstreiber zu nutzen, Prozesse zu verbessern und Marktveränderungen zu entgegnen. Zudem bilden wir neue Data Scientists und AI-Entwickler während der Projekte aus.

Wie ist ein typisches LEONARD-AI-Projekt strukturiert? Welche Prozesse und Projektphasen gibt es? – Wie sieht das konkret am Beispiel des aktuellen Projektes aus, das Sie als Coach begleiten?

Zurzeit sind wir in der Bewerbungs- und Selektionsphase. Hier wählen wir die vielversprechendsten Projekte innerhalb des Konzerns aus. Dabei müssen wir darauf achten, wie gut die Daten zugänglich sind, ob der Use Case ausreichend definiert wurde und ob mindestens ein Mitarbeiter der Unternehmenseinheit während der Umsetzungsphase beim Projekt mitarbeiten kann.

Sobald alle Projekte identifiziert sind, starten wir im November mit einer zweimonatigen Qualifikationsphase. Diese Phase dient vor allem dazu, das Projekt auf der Grundlage des ausgewählten Anwendungsfalls zu konkretisieren und seine Machbarkeit zu überprüfen. In dieser Phase erstellen wir Benchmarks von internen und externen Lösungen, Audits zur Bewertung der Verfügbarkeit, des Volumens und der Qualität der zu verarbeitenden Daten. Darauf aufbauend entwerfen wir einen Plan für die technische Umsetzung des Projektes.

Anschließend folgt direkt eine viermonatige Inkubationsphase. In dieser Phase wird das Projekt nicht nur konzeptioniert, sondern konkret umgesetzt – bis hin zur Industrialisierung. Es werden AI-Modelle entwickelt, Parameter festgelegt und die Infrastruktur zusammengestellt. Zudem verifizieren wir die geschäftliche, technische und industrielle Relevanz des Projektes vor der Produktionseinführung und der endgültigen Umsetzung innerhalb des VINCI-Konzerns.

Können beim LEONARD-AI-Programm nur konzerninterne Projekte mitmachen oder auch Projekte externer Unternehmen und Personen?

Alle Unternehmen des VINCI-Konzerns können sich unabhängig von ihrem Standort oder Tätigkeitsbereich für das LEONARD-AI-Programm bewerben. Dabei kann es sich auch um ein Anwendungsbeispiel handeln, dass zusammen mit einem externen Kunden oder einer Forschungsgruppe und der jeweiligen Unternehmenseinheit entwickelt wird.

Um was ging es beim letzten Projekt genau?

Das letzte LEONARD-Programm haben wir bereits im April abgeschlossen. Mein Projekt beschäftigte sich mit einem Empfehlungssystem für IT-Tickets, das auf Machine Learning und Natural Language Processing (NLP) basiert. Ziel war es, eine vollständig integrierte Lösung zu erstellen, die darauf ausgelegt ist, die Lösungszeiten für IT-Tickets zu verkürzen, indem sie den Kundendienstmitarbeitern Lösungen von ähnlichen Tickets empfiehlt. Zu diesem Zweck nutzt die entwickelte Lösung zuvor gelöste Tickets und Artikel der Wissensdatenbank und verbessert sich kontinuierlich mit dem Feedback der Benutzer. Das Projekt wurde umgesetzt und ist heute in aktiver Benutzung. Zurzeit gibt es Gespräche, den entwickelten Algorithmus auch in anderen Unternehmenseinheiten einzusetzen.

Welche Aufgaben hat ein Projekt-Coach? Welche fachlichen Anforderungen sind damit verbunden?

Ein AI-Coach hat drei Hauptrollen: Projektmanager, AI-Entwickler und Ausbilder. Als AI-Coach unterstützt man ein Team einer VINCI-Unternehmenseinheit dabei, deren AI-Anwendungsfall umzusetzen. Man ist Mitglied des Projektteams und führt dieses als Projektleiter. Man entwickelt gemeinsam die Lösung und unterstützt das Team aktiv bei der Umsetzung des Projektes.

Da die Wissensweitergabe im AI-Programm eine große Rolle spielt, ist man zudem noch dafür verantwortlich, die internen Fähigkeiten des Teams durch 1:1-Coachings und allgemeinen Trainings weiterzuentwickeln. Die Trainings reichen von der Einführung in Python bis hin zu vertiefenden methodischen Schulungen, wie z.B. Computer Vision, NLP, Predictive Maintenance oder Reinforcement Learning.

Wie viele Coaches gibt es beim LEONARD-AI Programm insgesamt?

Im letzten Jahr waren wir ein Team von 15 AI-Coaches plus drei Mentoren. Von den Coaches waren 4 von AXIANS: ein Coach aus Portugal, ein Coach aus Frankreich und zwei aus Österreich.

Coach beim LEONARD-Programm ist ja nur ein „Nebenjob“. In welchem Unternehmensbereich sind Sie eigentlich beschäftigt und welche Aufgaben haben Sie dort?

Ich bin normalerweise Data Scientist und Teamleiter im Advanced Analytics Team bei AXIANS ICT Austria. Wir helfen unseren internen und externen Kunden dabei, ihre Anwendungsfälle im Bereich Data Science und künstlicher Intelligenz umzusetzen. Bei jedem Projekt suchen wir nach einer individuellen Lösung und unterstützen unsere Kunden von der Strategie bis hin zur operativen Umsetzung. Die Projekte sind vielfältig unser Team beschäftigt sich u.a. mit Predictive Maintenance, Computer Vision und NLP.

Zur Person

Julia Himmelsbach ist Data Scientist bei Axians und AI Coach bei Leonard. In beiden Rollen unterstützt sie Unternehmen bei der Konzeption und Entwicklung vielversprechender Projekte im Bereich der künstlichen Intelligenz. Seit 01.05.22 ist sie Teamleiterin des „Advanced Analytics“ Team.